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DDIM Ausgabe 4 - 2015

WISSEN - MANDAT Erste Maßnahmen Gerade am Anfang wird man mit vielen widersprüchlichen Aussagen, Gerüchten und Verleumdungen konfrontiert; eige- ne Beobachtungen sind unabdingbar. Einer der ersten Maßnahmen im letzten Sanierungsfall war die temporäre Verle- gung des Chef-Stuhls von der berühm- ten S/W Ecke in die Mitte des Unter- nehmens. So lernte ich schnell, wer mit wem regelmäßig zum Mittagessen ging, und vor allem: wer partout nicht. Und es entpuppte sich, dass sich die Abteilun- gen offenbar an Chinas diplomatischer Grundstrategie hielten, derzufolge mein Nachbar nicht unbedingt mein Freund ist, aber eventuell dessen Nachbar oder Gegenspieler. Die beste Kommunikation sind nicht emails, sondern Maßnahmen, deren ra sche Umsetzung Momentum kreiert und Entschlossenheit zeigt. Mit der Vereinfa- chung von order-to-delivery Prozessen oder der raschen Erledigung von Rekla- mationen kann man bei den Kunden schnell Punkte sammeln. ber selbst fun- damentale Änderungen legten wir rasch fest. Die Grundlagen der neuen Firmen- organisation und des revidiertes Bonus- system standen 6 Wochen, ein umfas- sendes Händlerkonzept sowie neue Preisstrukturen 8 Wochen nach Antritt. Der Personalbedarf wurde parallel dazu definiert, denn die Suche nach qualifzierten Mitarbeitern gestaltet sich sehr schwierig. Ohne die volle Unterstützung der Leis- tungsträger und mit einer 40- Stundenwoche (60 für die Schlüsselmit- arbeiter waren die Regel) ist das nicht durchzuziehen. Es bedarf einiges Ge- schick, in der frühen Phase eines Turna- round Perspektiven zu vermitteln und eine motivierende Leistungsbewer tung zu garantieren. Sie müssen begeistern können. Um mit den „Designelementen“ (MUT, Prof. Neumann) eines Umstruktu- rierungsprozesses zu reden: Kommuni- kation und Organisation sind diejenigen zwei Designelemente, auf die ich mich in den ersten 2 Monaten fokussierte. Sie sind äußerst wirksam und ermöglichten es uns, gerade am Anfang kleine aber sichtbare Erfolge zu erzielen. Hier noch einige Überlegungen. Kommunikation Ein wesentlicher Unterschied zu Pro- zessen in der DACH-Region vorweg: Kommunikation erfolgt in der Regel in einer Sprache (English), die weder Mutter- sprache des Projektleiters noch von einem hohen Teil der lokalen Mitarbeiters über- haupt gesprochen wird! Jede an die Be- legschaft gerichtete wichtige schriftliche Kommunikation sollte zweisprachig sein. Eine Vertrauensperson als Dolmetscher ist unabdingbar, wenn Sie Gespräche nicht auf Chinesisch führen können oder möch- ten. Vermeiden Sie den weitverbreiteten Fehler unter westlichen Führungskräften, sich auf diejenigen Mitarbeiter zu stützen und von ihnen einen besseren Eindruck haben, die Englisch sprechen und „smart“ herumlau- fen. Viele Mitarbeiter mit Potenzial können sich nicht artikulieren und sind daher sehr zurückhaltend. Ist es ratsam, den Prozess auf Chinesisch zu führen, hätte man die Fähigkeit dazu? Meiner Meinung nach nicht, es sei denn Chinesisch ist Ihre Mut- tersprache. Allerdings führte ich individu- elle Gespräche auf Chinesisch und konnte damit alle Mitarbeiter besser einschätzen und manchen vor einer Entlassung bewah- ren. Chinesen sind durch das Erlernen von Zeichen geschult, zwischen den Zeilen zu lesen (im politischen Kontext war und ist das in China ein Muß). Das führt aber leider oft zu eigenwilligen Interpretationen von eigentlich klar gedachten Statements. Meiden Sie daher lange Ansprachen, Kommuniques, etwa beim Start eines Change-Prozesses. Nutzen Sie Gespräche in Kleingruppen und vor allem die infor mellen Netzwerke, um gezielt Adressaten zu erreichen. Nutzen Sie visuelle Formen der Kommunikation. Die Verlegung Ihres Arbeitsplatzes etwa oder das eigene Ar- beitsverhalten. Auch Interviews mit Kandi- daten signalisiert, dass der Vorwärtsgang eingeschaltet wurde. Zwischen den Abteilungen werden mitun- ter Kleinkriege um Dinge geführt, die an einen Kindergarten erinnern (und wie dort liegt man mit der Neutralisierung des Lautesten meistens richtig). Um das starke Silo-Denken zu untergraben, haben wir die Zwischenwände der Büros eingeebnet, so dass Vertrieb, Marketing und Anwen- dungstechnik „eng“ zusammensaßen. (Vertrieb soll ohnehin nicht sitzen, son- dern laufen). Stellen Sie mit Ihrem Kom- munikationsstil sicher, dass in Bespre- chungen keine „Ja-Sager-Mentalität“ aufkommt. Wir haben bewußt Antipo- den in die Arbeitsgruppen gestellt, von denen wir wußten, dass es im Raum warm werden würde, wenn sie aufei- nandertreffen. Ich habe die meisten meiner Mitarbeiter als direkt empfun- den, die mit Kritik umgehen konnten und auch Kritik übten. Aber nicht jeder ist so gestrickt und es gibt auch Unter- schiede zwischen Chinesen aus Nord- und Südchina. Chinesen ist wie den meisten Menschen daran gelegen, ihr Gesicht nicht zu verlieren, aber auch nicht das ihres Vorgesetzten, etwa in Besprechungen oder durch unge- schickte Fragen. Viel Kommunikation findet daher im kleinen Rahmen statt und es hatte sich auch bewährt, einige Gespräche außerhalb des Büros zu führen. Kunden und Partner erwarten von der die Vermittlung einer Perspektive. Das big picture. In dem konkreten Fall war es das Bestreben, die Marke neu zu positionieren. Eine Preiserhöhung von 20% und der Abschaffung jeglicher Sonderrabatte zogen wir anderen Maßnahmen im Zuge der Neupositio- nierung bewußt vor, nicht nur wegen der finanziellen Notwendigkeit, son- dern auch ob ihrer psychologischen Wirkung. Ihre frühe Ankündigung gab auch den Kunden genügend Zeit der Anpassung und zeigte ihnen Entschlos- senheit und einen gewissen Mut, denn 20% als no-name in einem Massen- markt ist nicht ganz ohne (ein Umsatz- plus von 60% wurde dennoch im Jahr darauf erreicht, multipliziert mit einer Nettoverbesserung der Marge um 30% ist das ein hübsches Zwischenergeb- nis). Organisation Wir kennen den Spruch von Davod.P Hanna: „every organization ist perfectly designed to get the results it gets“. Oder auf Deutsch: Strukturen schaffen Verhalten und Verhalten stärkt wiede- rum Strukturen. Ein zu beobachtendes Verhalten, gerade in Organisationen, in denen es kriselt, ist ein sehr starker Zusammenhalt innerhalb einer Abtei- lung und Abkapseln gegen „die da drüben“. Teams können in China ein hohes Zugehörigkeitsgefühl, Effizienz und Loyalität entwickeln, die sich auch in gemeinsame private Aktivitäten ausdehnen. WWW.DDIM.DE INTERIM MANAGEMENT MAGAZIN | 45

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